Die Lotosblume Lotos Lotus Wasserpflanze“>
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in Bastet Nr. 1 / 2003
Bei meiner Beschäftigung sowohl mit der ägyptischen als auch der indischen Kultur bin ich immer wieder auf eine Pflanze gestossen, die offensichtlich sehr wichtig ist: Der Lotos. Wohl kaum eine Blume hat so viele Bezüge sowohl in Religion und Spiritualität als auch zu praktischer Verwendbarkeit.
Eigentlich gibt es zwei Versionen: den „echten Lotos“ (Nelumbo Nucifera) und den „ägyptischen Lotos“ (Nymphaea lotus) - im Bild rechts. Beide wachsen im Wasser. Während jedoch der ägypische Lotos seine Blüten schon unter Wasser bildet und die Blätter gleich über dem Wasserspiegel liegen, erheben sich die Blüten der echten Lotosblume erst weit über Wasser und Schlamm, bevor sie sich öffnen.
Der Lotos im alten Ägypten
Der Lotos war im alten Ägypten eine sehr beliebte Pflanze
mit einer sehr grossen Zahl von symbolischen Bedeutungen und Abbildungen.Es
gab drei Arten von Lotos: Die weissen und die blauen Blumen sowie
eine dritte Art, die von Indien gebracht wurde und deren Darstellung
auf griechischen Monumenten erscheint. Die blaue Lotosblume war
die beliebteste und die heiligste.
Im alten Ägypten war der Lotos auch ein Wappenbild, das Symbol Oberägyptens,
während der Papyrus das Symbol für Unterägypten war. Deshalb ist
in vielen Darstellungen auf beiden Seiten eines Thrones der Nilgott zu sehen,
der Lotos und Papyrus zusammenbindet, als Symbol der Vereinigung beider Landesteile.
Manchmal wird der Lotos aus als Sinnbild von Ägypten bezeichnet: Der Nil
stellt den Stengel der Pflanze dar, während das Flussdelta mit seinen weitverzweigten
Flussarmen die Blüte bildet.
Lotosblumen kommen in verschiedenen Darstellungsformen vor. So gibt es zum Beispiel
in Tempeln sogenannte Lotossäulen. Eine der schönen Statuen von Tut-Ench-Amon
zeigt seinen Kopf, der aus einer Lotosblume ragt.
In Memphis gab es einen Gott (einer der Triade von Memphis) namens "Nefertum".
Er war auch der Gott der Lotosblume und der Parfüme. In einem Sargtext heisst
es: „Nefertum, das schöne Kind mit lieben Duft, der von der Lotosblume
erschien“.
Es bestand auch eine Beziehung zwischen Sonnenkult und dem Lotos, weil die Blume
mit dem Sonnenaufgang aufblüht und sich mit Sonnenuntergang wieder schliesst. Darum
war der Lotos auch ein Symbol des Lebens und der Wiedergeburt. So sind in den
Reliefs der Gräber in Sakkara und Theben immer die Lotosblumen als Opfergabe
für den Verstorbenen zu sehen sowie Darstellungen von Personen, die an Lotosblumen
riechen
Schliesslich war der Lotos auch eine Opfergabe für die Götter, wie
in Tempeln zu sehen ist.
Eine weitere Symbolik besteht in Zusammenhang mit dem Jahreszyklus
des Nils. Wenn die Überschwemmungen jeweils fruchtbare Erde
ins Niltal brachten, erblühten auch die Lotosblumen üppig
und wurden so zu einem Sinnbild für Überfluss und Reichtum.
Heutzutags gibt es nur noch wenig Lotosblumen in Ägypten,
möglicherweise
in Fayoum.
Der indische Lotos wächst weit über den Spiegel des manchmal schlammigen Wassers in dem er gedeiht. So wie er sich also aus dem „Dreck“ erhebt und dann wunderschön blüht, wurde er zu einem Symbol des Geistes, der sich über die Niedrigkeiten der Welt erhebt und wird darum sowohl im Buddhismus als auch im Hinduismus immer wieder erwähnt.
Zu jedem grösseren Hindu-Tempel gehört auch ein Teich
respektive ein Wasserbecken für die rituellen Waschungen,
in dem oft Lotosblumen wachsen.
Viele der hinduistischen Götter und Göttinnen werden auf irgendeine
Form mit dem Lotos in Verbindung gebracht. Auf einer Lotosblume sitzend, liegend
oder stehend erheben sie sich über die unvollkommene, dreckige, körperliche
Welt unter ihnen. Brahma wurde aus einer Lotosblume geboren und meditierte auf
ihr. Lakshmi, die Göttin von Wohlstand und Schönheit, wird in einer
grossen Lotosblume stehend dargestellt, auf der sie aus dem Weltmeer geboren
wurde, und hält in zwei ihrer Hände je eine Blüte, während
aus den anderen zwei Händen Goldmünzen prasseln. Auch Sarasvati, Göttin
der Weisheit und Künste sitzt in einer Lotosblume. Die Blüte, die sie
in einer ihrer vier Hände hält, symbolisiert die Selbstverwirklichung
als Ziel des menschlichen Daseins.
In der Anbetung eines Gottes oder auch eines geistigen Führers werden unter anderem auch seine "Lotosfüsse" verehrt, als Zeichen der totalen Unterwerfung.
Weitere Symboliken in Indien: die 8 Blütenblätter stehen für die Himmelsrichtungen. Der rot-goldene Lotos wird mit der Sonne in Verbindung gebracht, der weisse mit dem Mond, aber auch mit Reinheit, Schönheit, Wiedergeburt, Göttlichkeit usw.
Der indische Lotos ist nicht nur schön anzusehen, sondern
auch eine sehr praktische Pflanze. Wenn die Lotosblume verblüht
ist, bilden sich die Samenkapseln, in denen die sogenannten Lotosnüsse
heranreifen, diese werden eingeweicht und dann z.B. in Suppen
verwendet. Aus den Knollen kann ein berauschend wirkender Stoff
gewonnen werden.
Aus den Wurzeln werden Suppen, vegetarische Gerichte und süsse Speisen zubereitet.
Man kann aber auch ein Mehl daraus gewinnen. Lotosstengel können als aromatische
Beilage dienen.
Die Samen, Knollen und Blätter werden zudem als Heilmittel für verschiedene
Anwendungen eingesetzt, von Nierenleiden, hohem Blutdruck über Schlafstörungen
bis zu Durchfall, Fieber und Vergiftungen.
Ein spezielles Phänomen ist als "der Lotoseffekt" bekannt. Die grossen Blätter haben eine spezielle, ganz fein aufgerauhte Oberfläche, auf der kein Schmutz haften bleibt, er wird einfach vom Regenwasser abgespült – kein Wunder also, dass der Lotos ein Symbol für Reinheit ist. Die Forschung befasst sich mit diesem Effekt, um ihn für schmutzabweisende Farben umsetzen zu können. So inspiriert der Lotos also nicht nur seit jeher im Nahen und Fernen Osten sondern auch heute und in der westlichen Welt.
(Infos zum alten Ägypten von Hoda Helmy Abbas)
Bunte Seerose - Nymphaea colorat,
Mitteleuropa
Roter Tigerlotos - Nymphaea rubra,
Asien